Biodiversätskampagne-Flyer

Sensibilisierungskampagne Biodiversität

16.07.2023

Die Biodiversität ist in der Schweiz in einem schlechten Zustand – auch die zukünftige Wohlfahrt des Menschen ist in Gefahr. Doch der Ständerat blockiert eine Diskussion über die Biodiversitätskrise. Daher ist nun eine neue Sensibilisierungskampagne nötig, mit Fahnen, Ständen und vielem mehr. Bitte machen auch Sie mit!

Der Biodiversität in der Schweiz geht es schlecht. Das anerkennt auch das Bundesamt für Umwelt (BAFU). Sechs Jahre nach dem letzten Bericht zum Zustand der Biodiversität hat es dies im Mai in zwei neuen fundierten Publikationen bestätigt. Laut dem ersten Bericht na- mens «Biodiversität in der Schweiz» bildet die biologische Vielfalt eine wichtige Grundlage unserer Wohlfahrt. Aber: «Die Qualität, Quantität und Vernetzung vieler Lebensräume reichen nicht mehr aus, um die Biodiversität unseres Landes langfristig zu erhalten». Insgesamt sei die Biodiversität in der Schweiz in einem schlechten Zustand: Sie vermag die Ökosystemleistungen nicht mehr langfristig zu gewährleisten. Damit ist auch unsere zukünftige Wohlfahrt gefährdet.

Die zweite Publikation, die Synthese der Roten Listen der Schweiz, zeigt ebenfalls ein düsteres Bild: Von den insgesamt 10 844 bewerteten Arten stehen 35 % auf der Roten Liste und weitere 12 % auf der Vorwarnliste. Zusammen ergibt sich also für fast die Hälfte der untersuchten Arten eine reale Bedrohung. Der Vergleich der Roten Listen mit den Nachbarländern zeigt, dass die Schweiz fast immer den höchsten Wert aufweist. Dies wird durch lokale Studien bestätigt, die eine geringere Biodiversität in der Schweiz gegenüber dem grenznahen Ausland belegen.

Biodiversität Ländervergleich

Realitätsfremde Debatte

Die Medien haben zwar für einmal über den kritischen Zustand der Biodiversität berichtet. Doch bei der Mehrheit des Ständerats ist das noch nicht angekommen. Mitte Juni ging es in der kleinen Kammer darum, auf die Revision des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) als Gegenvorschlag zur Biodiversitätsinitiative einzutreten. Die Frage war also, ob der Ständerat mögliche Lösungen für die Biodiversitätskrise überhaupt diskutieren würde. Und die Mehrheit sagte nein. Nur die sechs Vertreterinnen und Vertreter der SP, die fünf der Grünen, Stefan Engler (Mitte), Matthias Michel (FDP) sowie Thomas Minder (parteilos) stimmten für Eintreten. Der Rest der Mitte und der FDP sowie die ganze SVP verweigerten die Arbeit zur Biodiversitätskrise. Der Kommissionssprecher Beat Rieder (Mitte) kannte anscheinend die besonders schlechte Situation der Schweizer Biodiversität trotz der BAFU-Berichte nicht und erzählte etwas von einem «Swiss Finish», also einer besonders perfekten Schweizer Lösung. Ein SVP-Vertreter las einfach das Argumentarium des Bauernverbandes herunter.

Fachlich nicht haltbare Berechnungen

Wenig hilfreich war ein Bericht der Bundesverwaltung vom März 2023 an die Ständerats-Kommission, der erst kürzlich öffentlich wurde. Darin ging es um die Frage, wie hoch der Anteil der Schutzgebiete und flächenbasierten Schutzmassnahmen (OECMs) gemäss Aichi-Ziel 11 und Kunming-Montreal-Ziel 3 an der Schweizer Landesfläche bereits ist. Gemäss fachlichen Kriterien liegt dieser Anteil derzeit bei 10,7 % – grosszügig gerechnet, denn das schliesst auch rund 4 % der Landesfläche ein, welche die international formulierten Qualitätskriterien (noch) nicht erfüllen. Doch statt diesen Fakt anzuerkennen, hat der Bund in besagtem Bericht zahlreiche weitere Gebietskategorien dazugezählt, z. B. die Gebiete des UNESCO- Welterbes und die Moorlandschaften (nicht gleichbedeutend mit den Mooren). So kommt der Bund auf die sehr erstaunliche Zahl von 23,4 % bereits bestehenden Schutzgebieten. Dies notabene, nachdem er noch im Dezember die korrekte Zahl von 10,7 % Schutzgebieten rapportiert hatte. Damit nicht genug: In unerklärlichem Optimismus ging der Bund davon aus, dass bis 2030 weitere 4 bis 5 % Schutzgebiete dazukommen und das Total auf ca. 28 % bringen werden. Drei Monate, nachdem die korrekte Zahl publiziert wurde, geht der Bund also plötzlich davon aus, dass in weniger als sieben Jahren 28 % erreicht werden. Es stellt sich die Frage, ob hier der neue SVP-Bundesrat Albert Rösti oder seine Entourage bereits Einfluss hatten. Den Sprecher der ständerätlichen Kommission kümmerte dies wenig. Er zitierte unbesehen die 28 %, die angeblich «ohne besondere Anstrengungen» bis 2030 erreicht werden. Vier Mal wurde die falsche Zahl in der Debatte zitiert. Albert Rösti sagte: «Wir haben heute eine Schutzfläche und Gebiete, die für die Biodiversität dastehen, im Umfang von 23 % der Landesfläche. Und wenn wir [...] die weiteren in Aussicht stehenden Erweiterungen nehmen, ist es bis 2023 eine Fläche von 28 %.» Diese Aussauge ist fachlich nicht haltbar.

Gemeinsam den Druck erhöhen

Die NHG-Revision geht nun wieder in den Nationalrat. Das Bild, das von der Mehrheit des Ständerates bleibt, ist erschreckend. Dass diese Kantonvertreterinnen und -vertreter die Kantonsregierungen und -konferenzen ignorieren (diese hatten sich für einen Gegenvorschlag engagiert), daran können wir nichts ändern. Aber wir können gemeinsam den Druck erhöhen und zeigen, dass das Volk mitdenkt und von seinen «Volksvertretern» für die Biodiversitätskrise wirksame Lösungen verlangt. Die über 43 000 Unterschriften, die auch dank Ihrer Hilfe innert kurzer Zeit zusammengekommen sind, waren ein wichtiges Zeichen. Noch hat sich die Mehrheit des Ständerates darüber hinweggesetzt. Jetzt braucht es mehr, damit das nicht nochmals passiert. Die Trägerorganisationen der Biodiversitätsinitiative haben für den Fall eines solchen Ständeratsentscheides zusammen mit über 40 unterstützenden Organisationen eine Sensibilisierungskampagne vorbereitet. In den nächsten Wochen und Monaten geht es darum, den Handlungsbedarf für die Biodiversität breiter bekannt zu machen. Es braucht mehr Information und öffentlichen Druck für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen! «Ja zur Biodiversität» lautet der Slogan der Kampagne. In einer ersten Phase sollen Zehntausende von Fahnen dieses Versprechen für unsere und für kommende Generationen von Balkon, Fenstern und Zäunen bekannt machen. Unter appell-biodiversitaet.ch/shop können Sie einzelne Fahnen gratis bestellen. Es gibt drei Versionen (Hummel, Blume und Fisch).

Raffael Ayé, Geschäftsführer BirdLife Schweiz

Infos: https://www.biodiversitaetsinitiative.ch Fahne bestellen: https://www.biodiversitaetsinitiative.ch/shop/